40 Jahre feministische Kämpfe des Vereins Frauen*solidarität.
Die Frauen*solidarität, der feministisch-entwicklungspolitische Bildungsverein und Herausgeber der gleichnamigen Zeitschrift, hat im vergangenen Jahr sein 40-jähriges Bestehen mit einer Buchpublikation gefeiert. Zum Erscheinen des Buches „Global female future“ schrieb das Südwind- Magazin: „Darin wird die enorme Bandbreite des weltweiten feministischen Aktivismus sichtbar, der sich mit dem Erbe des Kolonialismus genauso beschäftigt wie mit global ungleicher Verteilung der Pflegearbeit, feministischer Ökonomie, Klima- und Degrowth-Bewegung.“ Damit ist der Inhalt des Buches bereits zusammengefasst. Das Besondere an dem Buch ist zudem, dass es im neuen Stil des Sachbuchs geschrieben ist. Die Inhalte werden dabei in Form von kurzen „Lesehappen“ in verschiedenen Beitragsformen, wie Artikel, Interviews, Songtexte, Prosa und Gedichte, präsentiert. Dabei besticht die Textsammlung durch die Auswahl der Beitäge. Mit Beiträgen von Andrea Ernst, Gerda Neyer, Ulrike Lunacek, Andreea Zelinka, Shalini Randeria, Margit Maximilian, Rosa Zechner, Nadia Shehadeh, Joana Adesuwa Reiterer und anderen garantiert „Global female future“ eine hervorragende Lektüre von feministischen Expertinnen, Aktivistinnen und natürlich den Mitstreiterinnen der Frauen*solidarität.
„In den Borderlands zu leben, bedeutet, dass du“ ...
(…) Cuando vives en la frontera laufen die Leute durch dich hindurch, stiehlt der Wind deine Stimme, du bist eine burra, ein buey, Sündenbock, Vorhut einer neuen race, halb und halb — sowohl Frau als auch Mann, weder noch — ein neues Geschlecht;
Gloria Anzaldúa (1942–2004)
Das Buch bietet gleichzeitig einen historischen Überblick und Einblick in die Methoden feministischer Kämpfe sowie einen Ausblick auf die Zukunft des Feminismus. Und obwohl die Textsammlung vier Jahrzehnte an Wegen und Handlungsstrategien für die Selbstermächtigung und den Kampf für Geschlechtergerechtigkeit von Fraueninitiativen nachzeichnet, ist ein Punkt selbstverständlich besonders hervorzuheben: die Frauen*solidarität arbeitet besonders dafür, Frauen im globalen Süden zu empowern. Deshalb kommt das Buch auch nicht um eine analytische Selbstreinigung des eigenen feministischen Nordens herum - gerne noch mehr davon! Das Gründungsmotiv der Frauen* solidarität, die sich in den 1980er Jahren aus den sozialen Bewegungen gegen die Atomenergie in Österreich formierte, war die Tatsache, dass die damaligen Gelder für Entwicklungszusammenarbeit ausschließlich an Männer gingen. Heute gibt es vernetzte Initiativen und Kooperationen, wobei die Produzentinnen auch für internationale Unternehmen wie EZA Fairer Handel oder soulbottles produzieren. Ulrike Lunacek stellt das erste durch die österreichischen Entwicklungszusammenarbeit geförderte Frauenprojekt gegen die Blumenindustrie in Kolumbien vor. Anfang der 1980er Jahre wurden beim großen kolumbianischen Exportschlager Nelken und Rosen krebserregende Pestizide und Insektizide (Aldrin) eingesetzt. Und das bei einem Mindestlohn, Ausbeutung und sexueller Belästigung. Lunacek bezeichnet es als „Lehrbuchfall für die weltweite Vernetzung von Frauenleben und -arbeit“. Die Aktivistinnen der Frauen*solidarität machten auf diese vernetzte Verantwortung aufmerksam, indem sie am Valentinstag 1984 mit einem Nelkenstrauß den damaligen FPÖ-Handelsminister Steger aufforderten, den Export von bei uns verbotenen Pestiziden zu verbieten und eine Herkunftdeklaration von importierten Blumen forderten.
Die Erfolge solidarischen und feministischen Handelns sind heute erwiesen, aber diese Veränderungen geschahen nicht über Nacht, sondern konnten nur durch Beharrlichkeit und Ausdauer erreicht werden. Die Geschichte der Wangari Maathai Foundation in Kenia, die Margit Maximilian beschreibt, ist ein gutes Beispiel dafür. Wangari Maathai erhielt als erste afrikanische Frau den Friedensnobelpreis, gründete das Wiederaufforstungsprojekt Green Belt Movement und verhinderte den Bau eines 60-stöckigen Gebäudekomplexes mit Tausenden von Parkplätzen im - heute legendären - Uhuru- Park. Wanjira, Wangaris Tochter, bezeichnet die Vision ihrer Mutter, dass jede Stadt Grünflächen braucht, vor 20 oder 30 Jahren als „unglaublich fortschrittlich“. Um die Missstände im feministischen Kontext weltweit sichtbar zu machen, brauchte es Diskussionen, Lesungen, Debatten, Protestaktionen, Bildungsarbeit, Workshops und vieles mehr. Seit 1982 gibt die Frauen*solidarität drei Mal jährlich die gleichnamige Zeitschrift heraus. Gemeinsam mit Boabab und der ÖFSE führt die Frauen*solidarität seit 2009 die C3-Bibliothek für Entwicklungspolitik, die größte wissenschaftliche und pädagogische Fachbibliothek zu den Themen internationale Entwicklung, Frauen/ Gender und Globales Lernen in Österreich. Auf medialer Ebene sorgt sie außerdem für mehr Gehör durch die feministische Radioredaktion „Women on Air“ beim Radiosender Orange 94.0 MHz. Mit der Veröffentlichung dieses Buches haben die Mitbegründerinnen der Frauensolidarität, Andrea Ernst und Gerda Neyer, ein Handbuch herausgegeben, das einen Kontrapunkt zu den zahlreichen Diffamierungen des Feminismus bietet. Wenn Sie eine wissenschaftliche Lektüre über Feminismus erwarten, werden Sie enttäuscht sein. Wenn Sie gerne Feministinnen zuhören, wie sie ihre eigene Geschichte erzählen, werden Sie dieses Buch lieben!